hr-iNFO Büchercheck: Bergsteigen im Flachland von Urs Mannhart

hr-iNFO Büchercheck: Bergsteigen im Flachland von Urs Mannhart

11.07.2014

Haben Sie schon mal versucht, im Flachland bergzusteigen? Das dürfte eine ziemlich schwierige Angelegenheit sein,wenn nicht sogar ein Ding der Unmöglichkeit. Und nach dieser ist der neue Roman von Urs Mannhart betitelt. Es ist der dritte Roman des Schweizer Schriftstellers und Journalisten.
hr-iNFO Büchercheckerin Tanja Küchle hat den Roman gelesen. Worum geht es?

Europa, Ende der 90er Jahre. Die Ungleichheit ist groß – auch die Ausbeutung. Die Jugoslawienkriege werfen ihre Schatten. Urs Mannhart verknüpft Einzel-Geschichten und -Schicksale durch die Figur des Schweizer Journalisten Thomas Steinhövel. Er beleuchtet und begleitet als Schriftsteller – immer wieder abwechselnd und in kurze Kapitel unterteilt – die verschiedenen Figuren auf der Suche nach Arbeit, Schutz und Gerechtigkeit. Und wir als Leser folgen ihnen kreuz und quer über den europäischen Kontinent.

Wie ist es geschrieben?
Der Tonfall des Romans ist lakonisch. Und witzig. Wobei sich die Komik meist aus den Situationen ergibt – weil sie peinlich sind oder völlig absurd. Auf der anderen Seite schildert Mannhart auch Folter-Szenen und Nato-Bombardierungen – mit fast unerträglicher Genauigkeit. Der allwissende Erzähler ist nah bei den Figuren, er schildert das Geschehen, die Gedanken und Gefühle aus ihrer Sicht. Seine Sätze sind eher lang, seine Sprache ist ausdrucksstark, bildreich und umgeht Klischees. Manchmal wirkt sie aber auch überformuliert und ungelenk. Das wiederum passt aber gut zur Figur des etwas ungelenken und zynischen Reporters Steinhövel.
Trotz großen Hungers war es Steinhövel ein zweifelhaftes Vergnügen, mit ansehen zu müssen, wie die Waldarbeiter sich anschickten, ihre Gastfreundschaft unter Beweis zu stellen: Nach Diesel stinkendes Fleisch und ganze Zehen versengten Knoblauchs boten sie ihm an. Freilich war er unfähig, das Dargebotene abzulehnen, und nun lachten die kräftig zulangenden und trinkenden Männer ihn so offenherzig an, dass Zahnlandschaften zutage traten, die jede für sich genommen schon eine Reportage wert gewesen wäre.

Wie gefällt es?
660 Seiten sind viel Holz – aber es lohnt sich, sie zu lesen. Denn Mannhart schreibt mitreißend und überzeugend. Leider verketten sich die einzelnen Lebensläufe und Migrationsbewegungen der verschiedenen Figuren nicht zu einem einzigen Höhepunkt. Der Roman franst eher aus; das Ende ist offen. Darum, finde ich, schafft Urs Mannhart mit „Bergsteigen im Flachland“ nicht den „ganz großen Wurf“, als der der Roman angelegt ist. Aber es ist dennoch ein bildstarkes Epos über das moderne Europa. Besonders spannend daran finde ich, dass vieles im Roman auf echten Tatsachen, echten Schicksalen, beruhen dürfte. Denn Mannhart wird als renommierter Osteuropa-Reporter bestens kennen, wovon er uns da in schillernden Farben erzählt.

 

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gebundenes Buch, 660 S.
Sprache: Deutsch
Secession Verlag für Literatur GmbH
ISBN: 9783905951325

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