hr-iNFO Büchercheck: Der letzte Ort von Sherko Fatah

hr-iNFO Büchercheck: Der letzte Ort von Sherko Fatah

25.09.2014

Sherko Fatah ist 50 Jahre alt, sein Vater ist irakischer Kurde, seine Mutter Deutsche, und er wuchs in der DDR auf. Es ist ein vielgerühmter Autor in Deutschland, hat schon einige Auszeichnungen bekommen und war auch schon mehrfach nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse und den Deutschen Buchpreis. hr-iNFO Bücherchecker Frank Statzner hat den Roman gelesen.

Worum geht es?
„Der letzte Ort“, der ist erreicht, wenn einem nichts mehr bleibt. Wenn man orientierungslos ist: räumlich, kulturell, seelisch. Eben am Ende. So geht es in diesem Roman zwei Männern. Der eine ist Albert. In der DDR sozialisiert, arbeitet er in einem arabischen Land in einem Museum, um das Kulturerbe zu retten. Der andere ist Osama, Alberts Übersetzer, der auch einen Bezug zur DDR hat. Die beiden werden ganz plötzlich auf offener Straße entführt. Unschwer ist der Irak als Kulisse auszumachen. Die Geschichte der Entführung, sozusagen der Thriller in diesem Roman, das ist nur ein Rahmen. In dieser Geschichte passiert viel mehr. Nämlich eine Grenzerfahrung von zwei Menschen, die das Schicksal von einer Sekunde auf die andere aneinander bindet.

Wie ist es geschrieben?
Die Handlung dieses Romans ist krass. Im reizvollen Gegensatz dazu steht die Sprache Fatahs. Es ist eine ruhige Sprache, präzise beschreibend, manchmal analysierend. Ganz oft erzeugt Fatah Bilder, die beeindruckend die Faszination der irakischen Landschaft
vermitteln. Und: Diese Sprache hebt die Dialoge der beiden Hauptfiguren, ihre Gedanken, vom brutalen Handlungsverlauf ab. Reflektion, auch Tiefe entsteht dadurch. Diese Tiefe erst macht es möglich, das Aufeinanderkrachen disparater Kulturen plausibel und
anschaulich darzustellen, ohne Effektheischerei. So ist das auch, als der Emir dem Übersetzer sein Weltbild darstellt:
" „Ich erzähle dir etwas über Eindringlinge“, sagt Abdul. „Es geht längst nicht mehr nur um die Kreuzfahrer, die Amerikaner und Briten, die hier hereingeströmt sind. Die Eindringlinge in Mesopotamien sind schon viel länger da. Im Norden die verwestlichten
Kurden, sie sind eine wahre Plage. Ebenso wie die Turkmenen. Dazu kommen die Ungläubigen, die es noch immer gibt in diesem Land, Christen.“ "

Wie gefällt es?
Das ist ein gutes Buch. Fatah erzählt nicht nur eine spannende, sondern eine dramatische Geschichte. Dramatisch, weil dieser Roman weit über die Spannung der Entführungsgeschichte hinausreicht und uns erklärt, warum sich unsere und die Kultur der Araber und erst recht die der Dschihadisten so fremd sind, warum sie auf längere Sicht wohl nicht friedlich nebeneinander existieren können und wie wenig von Kultur in einer existentiellen Situation übrig bleibt. Das ist ein desillusionierendes Buch. Aber darin liegt Klarheit.

19,99 € inkl. MwSt.
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gebundenes Buch, 288 S.
Sprache: Deutsch
Luchterhand Literaturverlag
ISBN: 9783630874173

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