hr-INFO Büchercheck: Gräser der Nacht von Patrick Modiano

hr-INFO Büchercheck: Gräser der Nacht von Patrick Modiano

19.12.2014

Der Nobelpreis für Literatur ging in diesem Jahr an den französischen Schriftsteller Patrick Modiano. All diejenigen, die diesen Autor bislang noch nicht kannten, können ihn jetzt kennenlernen denn gerade ist sein neuester, ins Deutsche übersetzte Roman erschienen. hr-iNFO Bücherchecker Alf Mentzer hat ihn gelesen.

Worum geht es?

Das ist gar nicht so einfach zu sagen – es ist wieder ein typischer Modiano-Roman – ein Roman, in dem es um Erinnerungen und um die Rekonstruktion von Erinnerungen geht. In diesem Fall ist es die Erinnerung an eine geheimnisvolle Frau, die der Erzähler des Romans im Paris der 60er Jahre kennen lernt. Plötzlich taucht sie in seinem Leben auf, und genauso plötzlich verschwindet sie wieder. Erst zwanzig Jahre später erfährt Jean dann, dass diese Frau Teil eines Entführungs- und Mordkomplott gewesen sein soll. Der Versuch, die damaligen Ereignisse zu rekonstruieren, wird zu einer Reise durch das Labyrinth seiner Erinnerungen, die sich dann so anhört:

In dem Augenblick, da ich an dem großen schmutzigweiß-beigen Haus an der Rue d`Odessa Nr. 11 vorbeikam, habe ich so etwas wie ein Klicken gespürt, jenen leisen Schwindel, der einen jedesmal erfasst, wenn eine Bresche in die Zeit gerissen wird. Ich blieb stehen und starrte auf die Fassade des Häuserblocks, die den kleinen Hof umrahmten. Hier hatte Paul Chastagnier immer seinen Wagen geparkt, obwohl er damals ein Zimmer in der Rue du Montparnasse bewohnte im Unic Hotel. Eines Abends hatte ich ihn gefragt, warum er diesen Wagen nicht vor dem Hotel lasse. Er hatte verlegen gelächelt und mit einem Schulterzucken erwidert: Aus Vorsicht…

Wie ist es geschrieben?

Kompliziert und einfach zugleich. Dieser Roman ist überhaupt nicht schwierig zu lesen, aber es ist kompliziert, sich in ihm zurechtzufinden, weil Modiano verschiedene Schichten der Erinnerungen ständig ineinander blendet. Das ist irritierend. Wenn man sich allerdings darauf einlässt, auch ein richtig aufregendes Leseerlebnis: Da verschwinden plötzlich Straßen. Häuser, durch die man eben noch gehen konnte, haben plötzlich keine Eingänge mehr; Menschen verschwinden, andere Figuren aus der Vergangenheit tauchen wieder auf und scheinen plötzlich jemand ganz anderes zu sein. Alles bleibt merkwürdig in der Schwebe und genau darum geht es Modiano: Um das Gefühl, dass wir uns auf unsere Vergangenheit nicht verlassen können, dass wir in sie verwickelt sind – ob wir wollen oder nicht.

Wie gefällt es?

Wie gesagt, man muss sich drauf einlassen aber dann ist dieser Roman eine traumwandlerische Lesereise durch Paris – spannend wie ein Maigret-Krimi, unheimlich wie ein Roman von Kafka.

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gebundenes Buch, 176 S.
Sprache: Deutsch
Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG
ISBN: 9783446247215