Da schau her (kartoniertes Buch)

Da schau her

Alltägliche Geschichten, Pocket - Polt 2

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783036961378
Sprache: Deutsch
Seiten: 352 S.
Fomat (h/b/t): 2.5 x 18.6 x 11.6 cm
Bindung: kartoniertes Buch

Beschreibung

Hinter Gerhard Polts unvergleichlicher Bühnenpräsenz, in der er seine Figuren scheinbar nur so dahinreden lässt, verbergen sich fein ziselierte und facettenreiche Blicke auf die Menschen und unsere Welt. Es sind seine genauen Beobachtungen, sein Durchdringen unterschiedlichster Charaktere, die elliptischen Satzkonstruktionen, die exakte Wortwahl und sein wohlwollendes Interesse am Menschen, die Gerhard Polts große Kunst ausmachen.Die aktualisierte Werkausgabe in vier chronologischen Bänden versammelt sein bis zum heutigen Tag geschaffenes Werk. Die Stücke, Dialoge und Monologe sind in Zusammenarbeit mit Hanns Christian Müller entstanden.

Autorenportrait

Gerhard Polt, geboren 1942 in München, aufgewachsen im Wallfahrtsort Altötting, studierte in Göteborg und München. Seit 1975 brilliert Polt als Kabarettist, Schauspieler, Poet und Philosoph auf deutschen und internationalen Bühnen. 2001 wurde er mit dem Bayerischen Staatspreis für Literatur (»Jean-Paul-Preis«) ausgezeichnet, 2019 folgte der Kulturelle Ehrenpreis der Landeshauptstadt München. Polt lebt und schreibt in Schliersee, München und Terracina. Sein Gesamtwerk ist bei Kein & Aber erschienen.

Leseprobe

EINLEITUNG Öha Aha Aha, so ist es also, haha, jaja, oder, besser gesagt: Öha. Nicht wahr, weil wenn ich, weil, es is ja doch, im Grunde is es ja gar nicht so erstaunlich. Zum Beispiel, ich gehe auf der Straße und dann überrumple ich ein Kind, also, ich stolpere über ein Kind, das Kind fällt hin, und dann sag ich ja auch nicht »Aha«, sondern dann sag ich: »Öha!« Weil es is ja ganz logisch. Weil das Kind, sozusagen, ah, das was passiert is, darüber wundere ich mich, im »Öha« liegt also doch mehr das Erstaunen, die Verwunderung darüber, was jetzt passiert ist, während, wenn ich sage: »Aha, ah, so ist das«, dann meine ich ja doch wahrscheinlich mehr sozusagen eine Art von »Heureka«, eine tiefe Erkenntnis, die hereinblitzt. Nicht, das »Öha« ist mehr ein körperliches Erstaunen, also ein schwerfällig Ich sage: »Öha«, und dann ist es schon passiert, nicht, wobei der Weg, bis ichs erkannt habe, also der Weg, die Distanz vom »Öha« zum »Aha« kann beträchtlich sein, verstehen Sie? Es kann also doch seine Zeit andauern, bis man wirklich von einem tiefen, bedauerlichen oder von einem bedauernswerten »Öha« zu »Aha« kommt. »Öha« - »Ahaa«, ja, das sind natürlich schon zwei Paar Stiefel, ich meine, es gibt sicherlich Leute, die sagen dann und wann: »Aha, ah, so ist das!« Ja, aber wenn sie sagen: »Ahaa, so ist das!«, hätten sie besser doch gesagt: »Öha. Da schau her«, oder vielmehr: »Da schau einer an, öhaha«. Verstehen Sie, wenn einer sagt: »Aha«, dann heißt das, jetzt weiß er das auch, während jemand, der sagt: »Öha«, nicht wahr, der gibt damit kund, dass er vorher überhaupt keine Ahnung gehabt hat, und das entspricht wahrscheinlich viel mehr der Wahrhaftigkeit. IM ANGESICHT DER GESCHICHTE, FRIEDENSPOLITIK UND ÖFFENTLICHER DIENST Pförtnerloge Heinz Heubl sitzt in seiner Pförtnerloge. Ein Auto passiert, Heubl grüßt, macht eine wärmende Handbewegung, schaut nach dem Wetter. Es soll no kälter werdn. I hab ja koa Heizung herin, obwohl ichs scho lang beantragt hab. Aber es dauert noch, hats gheißn. Frühestens nächsten Sommer solls so weit sein. Wissen Sie, der Mensch is ja klimaabhängig. Des hams seinerzeit 1943 auch gemerkt. Winter 42 / 43, Russland. Die deutschen Truppen waren ja scho kurz vor Moskau, wie dieser Kälteeinbruch kam. Demonstriert mit Streichholzschachtel und Zündhölzern die strategische Lage. Der Aufmarschplan war ja perfekt. Da die deutsche Linie, Moskau in etwa hier, aber der Russe war ja viel wärmer gekleidet, und in puncto Winter macht ihm natürlich keiner was vor. Jetz schaun S her: Die deutsche Flanke etwa hier. Der Russe versucht eine Zangenbewegung, und um dieser Zange zu entgehen, san die Deutschen natürlich wieder zurück, gell, obwohls saukalt war. Scho no kälter wie da herin. Während der berühmte Korse, schaun Sie, ich darf verdeutlichen: Des is also Moskau. Da is der Franzose nei, und dann wars genauso kalt. Der Franzose is ja kleidungsmäßig auch sehr leichtsinnig. Dann hams des Moskau anzündt, aber so a Stadt brennt aa net ewig, und wie dann des Feuer ausgangen ist, hams sich natürlich wieder zurückgezogen, weil, in Frankreich iss ja bedeutend wärmer. In Griechenland ham sie natürlich sehr viele Schlachten geschlagen. Weils ja bei dene gar keine Winter in unserem Sinne jetz gibt. Selbst wenn s im Winter an Krieg gführt ham, war des natürlich viel einfacher, weils net so kalt war. Schaun Sie, dieses Marathon. Beginnt Streichholzschachtelformation aufzubauen. De Perser san aufmarschiert, etwa so, es warn natürlich viel mehrer. Und de Griechen, de san auf n Berg nauf, und dann sans in dieser neuen Formation, des hat Phalanx gheißn, sans neibrochn, de Perser san ausanandgspritzt, na hams es seitlich aufgrollt. - Sie, des hat fei schlecht ausgschaut für de Perser. Obwohl, der Läufer von de Griechen, der wo den Sieg verkündet hat, der is ja dann aa gstorbn, an am Herzinfarkt. Wahrscheinlich, weils so heiß war. In Griechenland kanns manchmal bluatig heiß sein. Grad im Sommer. Wissen Sie, der Dreißigjährige Krieg, da wurde dreißig Jahre lang durchgekämpft, Sommer wie Winter. Des liegt meiner Meinung nach nur daran, dass keiner nachgebn hat. Und es hat ja auch keiner nachgeben können, weil hätte er nachgegeben, hätte er den Krieg verloren. Aber, wissen Sie, dieser ganze Dreißigjährige Krieg war militärstrategisch betrachtet eine einzige Schlamperei. Da hat sich oft koa Mensch mehr auskennt, wer grad gwonnen hat oder verlorn. Auch finanziell wars miserabel organisiert. Da sind ständig Gelder ausgeblieben. Sie müssen wissen, Soldat, des kimmt von Sold, net, also Geld. Am Schluss ham dann viele Truppenteile nur noch gegen Vorauskasse gekämpft, also bar, weil an Scheck hat eahna damals koana angenommen. Ein Mann geht vorbei. Ah, grüß Sie Gott, Herr Süß. - Sie, des war fei der Kammersänger Reiner Süß. Der war im Krieg bei der Panzerabwehr. A Wunder, dass ers überlebt hat, zur Zeit singt er grad an Wotan. Ich hab mir vorigen Herbst a Autogramm von ihm gebn lassn, des hab i jetzt grad die Tag für vierzig Mark verkauft. Jetz schaug i, dass ich wieder oans kriag, oder vielleicht krieg i sogar zwoa. Des wärn dann achtzig Mark. Streicht ein Mettwurstbrot. Schaun Sie, was im Laufe der Geschichte Fehler gemacht wurden. Diese Ardennenoffensive war jetzt zum Beispiel scho wieder im Herbst. Jetz schaun S her, stelln S Eahna vor, des wäre Westeuropa - legt das Wurstbrot zurecht - und das da die Gegend von Malmedy - zeichnet M auf dem Streichwurstbelag. Der Alliierte möchte ja reinkommen. Jetz san de ganzen Panzerverbände im Nordwesten massiert wordn, also hier - zeichnet - ungefähr. Warn ja nur noch taktische Restbestände. Schaun Sie, da war der Frontverlauf - zeichnet -, etwa zwei Tage is in nordwestlicher Richtung ein gewisser Druck verbreitet worden - zeichnet -, aber dann is der Ami bös worn und hat mit seiner Luftwaffe alles beharkt. Zerstochert das Wurstbrot. Erst gabs eine einfache Frontbegradigung - streicht alten Frontverlauf glatt, zieht neue Linie -, aber dann schwappte das überl obwohl er in Italien sehr mild is. Drum hams gwartet bis zum nächsten Frühjahr, und des war dann praktisch zu spät. Am Caesar waar des net passiert, weil, der gilt ja als der Erfinder des Blitzkrieges. Was sagn jetz Sie nachert zum Wunder von Kunersdorf? Auch »Le miracle de Brandenbourg« genannt. Hier zwanzigfache Übermacht, Preußen am Boden, die Infantrie total erledigt, Kavallerie: a paar müde Häupter, sonst nur noch Kadaver, Artillerie keine Spur mehr. - Da der Russe, da der Österreicher, man hat den Preußen praktisch fest im Griff, und keiner greift zu. Nebel war aa koana. Jetz frag ich Sie, warum? Des Kunersdorf, wenn nausgangen waar, wias hätt nausgehen müssen, wer weiß, wies dann heut ausschaun dad in der Bundesrepublik. Es gibt natürlich eine Menge Schlachten, wos geländemäßig und von der militärischen Potenz her scho von vornherein abzusehn war, wies nausgeht. De hätten gar net erst kämpfen brauchen. Ich bin ja eh gegen an Krieg, mich interessiern nur...