Drei Dollar (gebundenes Buch)

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783421043719
Sprache: Deutsch
Seiten: 409 S.
Fomat (h/b/t): 3.3 x 22 x 14.5 cm
Bindung: gebundenes Buch

Autorenportrait

Elliot Perlman wurde 1964 in Melbourne geboren. Er praktizierte einige Jahre als Anwalt, bis er nach dem Erfolg von "Drei Dollar", seinem ersten Roman, nach New York zog, wo er sich ausschließlich dem Schreiben widmete. Perlmans literarisches Werk ist preisgekrönt. Sein zweiter Roman "Sieben Seiten der Wahrheit", der ihm international den Durchbruch bescherte, wurde von der Presse als "große Literatur" (Deutschlandradio Kultur) gefeiert; sein dritter Roman "Tonspuren" erschien 2013. Elliot Perlman lebt heute wieder in Melbourne.

Leseprobe

Ich begegne Amanda alle neuneinhalb Jahre. Das ist keine Regel. Es muss nicht so sein, aber es hat sich bis jetzt vier Mal so ergeben. Vielleicht ist es also doch eine Regel. Auf jeden Fall sind alle Begegnungen einzigartig, egal wann, egal wo. Das letzte Mal war heute. Ich hatte drei Dollar in der Tasche. Amanda ist ein Jahr jünger als ich. Das war schon damals so, aber wir waren trotzdem in derselben Schulklasse. Man hatte die begabtesten Kinder aus zwei Jahrgängen versuchsweise zusammengefasst, und ich war auch dabei, obwohl ich noch kein besonderes Talent gezeigt hatte. Nicht dass mich nichts interessiert hätte, nein, ich interessierte mich ganz im Gegenteil für zu vieles. Aber weil meine Interessen eine rein innere Angelegenheit waren, blieben sie allen Erwachsenen außer meinen Eltern verborgen. Diese machten sich Sorgen, weil ich immer nur dasaß und nachdachte - oder jedenfalls bilde ich mir das rückblickend so ein; vielleicht hat Amanda die Sache anders in Erinnerung. Ich hatte keine Lust, herumzurennen oder für Ärger zu sorgen, denn ich dachte über zu vieles nach, als dass ich versucht gewesen wäre, mich zu überschlagen, um rascher ans Ziel zu gelangen. Wenn im Unterricht Züge oder Säugetiere behandelt wurden, fragte ich mich, wie unser Lehrer es schaffte, täglich den gleichen Duft zu verströmen, einen Moschusduft, der sich lange hielt und noch von ihm zeugte, nachdem er gegangen war. Auch Amanda hatte ihren eigenen Duft. Ihr Haar war unglaublich lang und so hell, dass es eine Untertreibung gewesen wäre, sie als blond zu bezeichnen. Sie lächelte viel und hätte als Heidi durchgehen können, wenn sie sich nicht so oft dreckig gemacht hätte. Dies störte ihre Eltern, vor allem ihre Mutter, die die Flecken auf den Kleidern ihrer Tochter unablässig mit calvinistisch strengen Bleichmethoden bekämpfte. In den kleinen und den großen Pausen wurde Amandas Brust durch Basketbälle beschmutzt, und gegen diesen Schmutz ging ihre Mutter mit den wirksamsten Vorwaschmitteln vor, die auf legalem Wege erhältlich waren. Diese rüden Reinigungsmethoden bleichten allmählich die Filzbuchstaben des Namens >Amanda< auf dem T-Shirt aus. Wir besuchten eine staatliche Schule, was Amandas Mutter offenbar für einen schlimmeren Makel für die engelsgleiche Heidi-Shampoo-Werbung auf zwei Beinen hielt, die jeden Morgen mit ihren Brüdern zur Schule fuhr, als alle anderen Unarten ihrer Tochter zusammengenommen. Die Familie wohnte in einem georgianischen Haus. Gegenüber befand sich eine Gärtnerei für Bäume, Obst und Gemüse, doch Amandas Mutter kaufte dort nie ein, sondern deckte den Bedarf der Familie in einer nahe gelegenen Einkaufszeile namens The Village. Amandas Vater war eher eine stille Präsenz als eine Person. Sie sprach selten von ihm, und wenn ich mich recht erinnere, sah ich ihn nur ein einziges Mal. Er trug einen dunklen Anzug und ein weißes, frisch gestärktes Hemd. Amandas Mutter hatte sicher viel Freude daran, seine Wäsche zu machen, oder kam dieses Privileg der Haushälterin zu? Er wirkte wie eine Mischung von Fred MacMurray in Frau ohne Gewissen und Fred MacMurray in Meine drei Söhne. Wenn er etwas Wichtiges zu sagen hatte, hörte man dies nicht direkt aus seinem Mund, sondern man hörte davon. Sein Status in der Familie war der eines Grandseigneurs. Und nicht nur in der Familie: Seine Berufsbezeichnung klang sehr kompliziert und höchst beeindruckend. Er war Chemieingenieur. Amanda erwähnte dies manchmal, aber nicht angeberisch, sondern ganz sachlich: "Chemieingenieur." Das klang gut, aber wir wussten nicht, was es hieß. Mein Vater hatte einen Job bei der Stadt, nach dem ich ihn nie fragte und über den er nie sprach. Er trug auch eine Krawatte und ein weißes Hemd, aber sein Hemd war knittriger als das von Amandas Vater, was ihr an den Abenden, die sie nach der Schule bei uns zu Hause verbrachte, vielleicht auffiel. Aber wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Achteinhalbjährige so etwas bemerkt? Im Grunde hatte nur ihre Mutter einen B