Remis (kartoniertes Buch)

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783442738342
Sprache: Deutsch
Seiten: 176 S.
Fomat (h/b/t): 1.4 x 18.7 x 11.8 cm
Bindung: kartoniertes Buch

Beschreibung

Von Hoffnung und Träumen, Schuld und Verfügbarkeit Zwei Paare leben Tür an Tür, ohne viel voneinander zu wissen. Kira, die Klavierlehrerin, und Philipp, der Werbefachmann, deren Ehe schon nach kurzer Dauer auf ihr Ende zusteuert. Und Friedrich und Margarete, ein älteres Ehepaar. Als Friedrich den Nachbarn überraschend anbietet, sein Ferienhaus in den Pyrenäen zu nutzen, nehmen sie an. Doch die Sommerfrische wird mehr und mehr zu einem Albtraum, der schließlich in einem schicksalhaften Showdown endet.

Leseprobe

Einer kann ohne Wurzeln leben, sagt Friedrich. Ich schon, denkt Philipp, sagt es aber nicht. Schließlich haben seine Frau Kira und er gerade den Schlüssel für das Haus in Südfrankreich bekommen. Es ist Friedrichs und Margaretes Haus, steht mit dem Rücken zum Berg und weit entfernt vom Meer. Verborgen in einem Tal der Pyrenäen. Auch Margarete verbirgt sich. Weinend sitzt sie in ihrem Zimmer am Fenster. Greta, liebe Greta, ruft sie, steh auf. Der Wächter hat das Land verlassen. Ich brauche deine Augen für die schwarzen Nächte der Vergangenheit und deine Lieder für die Tage der Löwen. Vom Briefkasten bis zur Wohnungstür sind es neunundvierzig Stufen und bis sie dort angelangt ist, hat Kira die Titelseite der Tageszeitung gelesen, Bankauszüge geöffnet oder Abrechnungen der Energiegesellschaft überflogen. Andere Briefe klemmt sie unter den Arm, aber die sind selten. Für Post solcher Art braucht sie Zeit und, wenn möglich, eine Tasse Tee und einen aufgeräumten Schreibtisch. Am Tag vor ihrer Abreise in die Ferien lag ein handschriftlich adressiertes Kuvert im Briefkasten. Es sah wertvoll aus zwischen all den bunten Prospekten und Werbebriefen. Kira brühte Tee auf, räumte die Mitte der Schreibtischauflage frei und griff nach dem Brieföffner mit den orientalischen Ornamenten. Sie schob ihn sacht in die kleine, nicht gummierte Lücke und zog den Öffner vorsichtig hoch und längs, das Kuvert sollte nicht zerreißen. Auf der Rückseite fehlte der Absender. Erst jetzt las sie gründlicher, sah, der Brief war an ihren Mann gerichtet. Sie sprang von ihrem Stuhl auf, legte den Umschlag zur Seite und lief zum Fenster. Das kann passieren, wird sie ihm sagen, es tut mir leid, ich hatte mir nichts dabei gedacht, aber du bekommst so selten Post und deine E-Mails lese ich auch nie, wie du ja weißt, weil du die Posteingänge überprüfst. Es ist also ein Versehen und ich entschuldige mich dafür. Warum war sie nur so atemlos bei ihren gedanklichen Entschuldigungsritualen? Zurück an ihrem Schreibtisch nahm sie das Kuvert, las noch einmal den Namen ihres Mannes, Philipp Assmann. Er war richtig und weich mit einer königsblauen Tinte geschrieben, die einen kräftigen Farbton hinterläßt. Vom Poststempel konnte Kira nichts ableiten. Briefzentrum, das war gerade noch zu entziffern, das Datum war verwischt. Kira wog den Umschlag. Er war leicht, ein Hauch nur, vielleicht lag ein Arztrezept darin. War Philipp beim Arzt gewesen? Hatte er ihr das verschwiegen? Vielleicht wollte er sie nicht beunruhigen. Sie ist seine Frau und hat das Recht zu erfahren, weshalb er beim Arzt war, in seinem Alter. Sie wird den Inhalt herausholen, jetzt, wo der Brief schon offen ist. Mit dem Nagelrücken des Zeigefingers drückte sie den Umschlag leicht auseinander, schloss ihre Augen und griff hinein. Sie fand kein Rezept, kein gefaltetes Blatt, noch nicht einmal einen Zettel. Kira sah auf den Boden, auch dort lag nichts. Ihr Mann hatte einen Brief ohne Inhalt bekommen. Der Tee war kalt geworden, sie trank hastig. Das Kuvert ließ sie nicht aus den Augen. Die Schrift verschwamm, sie sah eine Hand, die den Federhalter führte, blickte auf einen nackten Arm, sah Schultern, auf denen Haare spielten. Der beschriebene Bogen wurde gefaltet, aber nicht eingesteckt. Seine Zeit würde noch kommen. Kira strich über das Papier, ließ Mittelfinger und Daumen schnipsen, dann verschwand das Bild. Sie würde Philipp fragen. So lange blieb es ein Kuvert ohne Inhalt. Es wog schwer, als sie es in ihre Handtasche schob und die Tasche verschloß. Kurze Zeit später zog sie das Kuvert wieder hervor. Vielleicht sollte sie es besser auf Philipps Schreibtisch legen oder auf die Kommode neben der Eingangstür, wo sich neben dem Schlüssel Einkaufszettel und Quittungen stapelten. Dann könnte sie ganz nebenbei sagen, dort liege ein Brief für ihn, sie habe das Kuvert aus Versehen geöffnet. Keine Entschuldigung, keine Erklärung. Sie öffnete das Fenster, wollte hören, wenn sein Auto in den Hof fuhr. Margarete k