Aus Doktor Klimkes Perspektive (kartoniertes Buch)

Aus Doktor Klimkes Perspektive

Från Doktor Klimkes Horisont

Roman

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783442738663
Sprache: Deutsch
Seiten: 288 S.
Fomat (h/b/t): 2.1 x 18.7 x 11.8 cm
Bindung: kartoniertes Buch

Beschreibung

Schein oder Sein? Wahn oder Wirklichkeit? In Håkan Nessers Erzählungen ist nichts, wie es auf den ersten Blick scheint: Ein Sprachlehrer erhält die handgeschriebene Notiz einer Frau, die eigentlich seit über dreißig Jahren tot ist; ein kleines Mädchen trägt sich mit dem Gedanken, seine Mutter verschwinden zu lassen; und ein Schriftsteller wird in Venedig in die Selbstmordpläne eines Liebespaares verwickelt und trifft eine fatale Entscheidung .

Autorenportrait

Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der interessantesten und aufregendsten Krimiautoren Schwedens. Für seine Kriminalromane um Kommissar Van Veeteren und Inspektor Barbarotti erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in mehrere Sprachen übersetzt und wurden erfolgreich verfilmt. Daneben schreibt er Psychothriller, die in ihrer Intensität und atmosphärischen Dichte an die besten Bücher von Georges Simenon und Patricia Highsmith erinnern. "Kim Novak badete nie im See von Genezareth" oder "Und Piccadilly Circus liegt nicht in Kumla" gelten inzwischen als Klassiker in Schweden, werden als Schullektüre eingesetzt, und haben seinen Ruf als großartiger Stilist nachhaltig begründet. Håkan Nesser lebt mit seiner Frau in Stockholm und auf Gotland.

Leseprobe

Ich fuhr nach Venedig, weil ich eine Novelle schreiben musste. Ich hatte während des letzten Jahres drei Romananfänge hinter mich gebracht, mit denen ich Schiffbruch erlitten hatte, und in der Stadt des Todes und der Seufzer kann ja wohl ein jeder zumindest eine Novelle zustande bringen. Oder zumindest eine Novelletta, wie mein Verleger vorgeschlagen hatte, eine fünfzig- bis hundertseitige Erzählung, das war ein zu Unrecht ins Vergessen geratenes Format. Wir fuhren an einem Samstag im März ab, meine Ehefrau hatte sich eine Woche von der Zeitung freigenommen und fuhr mit, um zu fotografieren und darauf zu achten, dass ich nicht den Mut verlor. Wir kamen am späten Nachmittag an, nahmen das Boot vom Flughafen, und als wir den Markusplatz überquerten, empfing uns ein schneidender, düsterer Wind. Regen und Dämmerung hingen in der Luft, die Touristenscharen hatten die Tauben ihrem Schicksal überlassen und befanden sich in den Bars oder in Paris. Was weiß denn ich. Das Klaviertrio vor dem Florian spielte für leere Stühle. Corelli, wenn ich mich nicht irre. Wir fanden das Hotel Bonvecchiati, in dem wir schon einmal gewohnt hatten, und bekamen das Zimmer nach unserem Wunsch - Nummer 322 - mit Blick über die beiden Kanäle Fuseri und Orseolo und die Brücke mit den unermüdlichen afrikanischen Taschenverkäufern. Der Gondelverkehr war für diesen Tag beendet, wir duschten und tranken jeder ein Glas Amaro auf dem Zimmer, bevor wir in einer der Gassen in der Nähe nach einem kleinen Lokal suchten. 'Nun', sagte meine Ehefrau, als wir bei Panna Cotta und Portwein angelangt waren. 'Hast du schon irgendwelche Ideen?' Ich musste zugeben, dass ich keine hatte. Schließlich war es gerade mal der Abend des ersten Tages, erinnerte ich sie. Da gab es noch viel Zeit, und um eine Novelle zu schreiben, musste man nur Augen und Ohren offen halten. 'Ich bin nur froh, dass nicht ich der Schriftsteller in dieser Ehe bin', erwiderte meine Ehefrau und streichelte ihre Minolta, die auf dem Tisch zwischen uns lag und die sie bereits zwanzig, dreißig Mal abgefeuert hatte, seitdem wir gelandet waren. 'Vielleicht sitzt sie ja bereits hier?' 'Wer?', fragte ich. 'Die Novelle', antwortete meine Ehefrau. 'Vielleicht ist es der Mann, der da hinten in der Ecke sitzt. Nein, guck jetzt nicht so auffällig hin.' Ich nutzte die Gelegenheit, ihn zu betrachten, als wir bezahlt hatten und das Lokal verließen. Es war ein dürrer Herr in braunem Tweedanzug mit sorgenvollem Pferdegesicht. Er saß über ein Pastagericht und ein Buch gebeugt, und er sah aus, als beherbergte er ungefähr genauso viele Geheimnisse wie ein Glas Wasser. Obwohl er schon ein wenig an H.C. Andersen erinnerte, das musste ich zugeben. 'Ich glaube nicht', erklärte ich, als wir wieder draußen auf der Gasse standen. 'Und außerdem habe ich beschlossen, dass die Erzählung nicht vor morgen beginnen wird.' 'Kein Problem', sagte meine Ehefrau und packte meinen Arm, 'du hast ja die ganze Woche Zeit dafür.' Wir nahmen ein zeitiges Frühstück in dem großen marmorverkleideten Speisesaal zu uns - mit grotesken Dekorationen wohl aus der Muraner Glasbläserhütte und ein paar freifliegenden Spatzen, die von den schmutzigen Fensterscheiben wieder und wieder in ihrem vergeblichen Fluchtversuch gebremst wurden. 'Warum lassen sie die nicht raus?', wollte meine Ehefrau wissen. 'Ich weiß ja, dass sie es lieben, Vögel in Käfige zu sperren, aber Spatzen in einem Speisesaal, das ist doch absurd.' 'Wahrscheinlich haben sie sie nicht absichtlich hereingelassen', schlug ich vor. 'Bestimmt sind die von allein reingekommen, und jetzt finden sie nicht mehr hinaus.' 'Sag das nicht', widersprach meine Ehefrau. 'Man kann nie wissen, auf welche Perversionen sie in dieser Stadt so alles kommen.' Es war erst Viertel nach sieben, meine Ehefrau wollte hinaus, um zu fotografieren, bevor die Touristenscharen sich durch die Gassen und über die Brücken schoben, und wir waren fast allein im Restaurant. Nur an einem Tisch zum Kanal hin saß ein a