Unser letzter Sommer (kartoniertes Buch)

Unser letzter Sommer

The last summer (of you and me)

Roman

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783442739479
Sprache: Deutsch
Seiten: 320 S.
Fomat (h/b/t): 2.4 x 18.7 x 12 cm
Bindung: kartoniertes Buch

Beschreibung

Ein Sommer am Meer, der alles verändert Seit sie denken können, verbringen Alice und ihre Schwester Riley die Sommer im Ferienhaus auf Fire Island. Gemeinsam mir ihrem Freund Paul, dem Jungen von nebenan, verleben sie dort magische Sommer zu dritt. Aber dieses Jahr ist plötzlich alles anders. Die sanfte Alice, die insgeheim immer ihre ungestüme ältere Schwester bewunderte, verliebt sich in Paul. Die Freundschaft von Alice, Riley und Paul droht daran zu zerbrechen. Doch dann stößt Riley etwas zu, das die drei zwingt, die Welt der Kindheit endgültig hinter sich zu lassen.

Leseprobe

Alice wartete am Anleger auf Paul. Er hatte auf den Anrufbeantworter genuschelt, er werde die Nachmittagsfähre nehmen. Das war wieder mal typisch für ihn. Warum sagte er nicht, ob er die Fähre um zwanzig nach eins oder die um fünf vor vier meinte? Viel zu oft schon hatte Alice auf den Fahrplan geschaut und überlegt, was er wohl vorhatte. Pünktlich um zwanzig nach eins stand sie am Fährhafen und hasste sich selbst dafür, denn sie war sich ganz sicher, dass er nicht diese Fähre gemeint hatte. Als die Passagiere von Bord gingen, schaute sie nicht mal richtig hin, weil sie bereits wusste, dass Paul nicht dabei sein würde. In einiger Entfernung zum Pier setzte sie sich barfuß auf eine Bank, ein aufgeschlagenes Buch auf den Knien, um von niemandem angesprochen zu werden. Ich weiß, dass du nicht mit dieser Fähre kommst, also glaub bloß nicht, dass ich dich jetzt schon erwarte, versicherte sie dem Paul, den sie ständig mit sich herumtrug. Doch sogar dieser Paul, den sie zu beherrschen glaubte, machte sich über sie lustig, überraschte sie immer wieder. Kurz vor Ankunft der Fähre um fünf vor vier rieb sie sich die Lippen mit Vaseline ein und kämmte ihr Haar. Das nächste Schiff kam erst um zehn nach sechs. Natürlich konnte es sein, dass Paul die sogenannte Nachmittagsfähre verpasst hatte, aber unmöglich konnte er mit 'Nachmittagsfähre' die um zehn nach sechs gemeint haben. Wieder und wieder hatte sie sich vorzustellen versucht, was und wie er dachte. Schon immer hatte sie seine Meinung viel zu wichtig genommen, sie in Erinnerung behalten, während er sie wahrscheinlich längst vergessen oder geändert hatte. Sich in seinen Kopf hineinzuversetzen, wenn er in der Nähe war und seine Worte Hinweise, Korrekturen oder Bestätigungen anboten, war schon schwierig genug gewesen. Aber nach drei Jahren Schweigen erforderte es regelrechte Geistesakrobatik. Auf gewisse Weise war es aber auch einfacher, denn sie konnte mit seinen Gedanken eigenmächtiger umgehen, sie den ihren angleichen und ihn so denken lassen, wie es ihr gefiel. In den letzten zwei Sommern war er nicht gekommen. Sie konnte nicht begreifen, wie ihm das möglich gewesen war. Ohne ihn waren es trübe Ferien gewesen. Nichts von dem, was sie während dieser beiden Sommer erlebt hatte, war nachhaltig in ihre Gefühlswelt eingedrungen. Nichts hatte sich in ihre Erinnerung eingegraben. Deswegen war es nichts Neues, dass sie jetzt auf einer der vielen Holzbänke am Anleger saß und auf ihn wartete. Im Grunde hatte sie immer auf ihn gewartet. Wenn er nicht bei ihr war, verblasste auch die Erinnerung an sein Gesicht. Und wenn er dann im nächsten Sommer wiederkam, mit demselben vertrauten Gesicht, wusste sie, dass sie es sich auch dieses Mal wieder nicht würde merken können. Gedankenverloren nahm sie die Menschen wahr, die auf den Anleger zugingen, ihn verließen oder auf jemanden warteten. Leuten, die sie kannte, winkte sie zu. Die meisten waren Freunde ihrer Eltern. Der Wind machte die stechende Sonne auf ihren Schultern erträglicher. Langsam bohrte sie einen Daumennagel in die hölzerne Sitzfläche. Dabei fing sie sich einen Splitter ein, aber das kümmerte sie nicht. Stattdessen betrachtete sie eingehend das modernde Holz der Bank. Riley hatte stets etwas Besseres zu tun, als Paul von der Fähre abzuholen. Dabei war Paul ihr bester Freund. Alice wusste, dass auch sie ihn sehnsüchtig erwartete. Aber Riley hatte gesagt, sie habe keine Lust zu warten. Genauso wie Alice. Ob es überhaupt jemanden gab, der gern wartete? Aber Alice war eine jüngere Schwester. Es kam ihr nie in den Sinn, etwas zu verweigern, nur weil sie keine Lust dazu hatte. Sie hielt nach der Fähre Ausschau, die sich als winziges weißes Dreieck auf der anderen Seite der Bucht abzeichnen würde. Solange noch nichts zu sehen war, konnte sie kaum glauben, dass sie käme. Aber sie tauchte auf. Das weiße Dreieck wurde immer größer. Die Fähre kam immer. Sie stand auf und ließ ihr Buch auf der Bank liegen. Der Wind zerrte am Schutzumschlag.