Die Wiesen von Burgund (gebundenes Buch)
Die Wiesen von Burgund
Gedichte
Bibliographische Informationen
Beschreibung
Autorenportrait
Leseprobe
Traurig, müde
Traurig, müde, häßlich und einsam Stehst du am Fenster, vor der Leinwand, Genannt die Straße, Welt oder Stadt, Frau Arnolfini, vom Mann getrennt. Es schaukelt, es schaukelt Bergsons Insekt, Gefangen im Spinnennetz. Zwischen uns Fließt der Ozean. Zwischen uns schlafen Zyklone. Zwischen uns schlummern Kriege. Die fremde Fremdheit, die sich langweilt. Zwischen uns Zählen die Generale ihre Pfeile im Köcher. Zwischen uns lodert die Sehnsucht. Traurig, Müde, häßlich und einsam, warte, Öffne den weißen Fächer des Fensters.
Ode an die Vielheit
Ich versteh nicht alles und freu mich sogar, daß die Welt wie ein unstiller Ozean meine Fähigkeit überfordert, den Sinn des Wassers, des Regens, des Badens im Bäckerteich, an der deutsch-tschechischen Grenze im September 1980 zu begreifen; eine Einzelheit ohne größere Bedeutung, ein tiefer germanischer Teich. Das sauerstoffarme Ego atmet ruhig, der Schwimmer durchquert den Meridian, es ist Abend, die Eulen erwachen aus ihrem Tagschlaf, in der Ferne rattern träge die Autos. Wer einmal die Philosophie berührt hat, ist verloren, den rettet kein Vers, immer bleibt ein nicht zu berechnender Rest, ein Leid zurück. Wer einmal den rasenden Lauf der Dichtung erlebt hat, wird niemals wieder die steinerne Stille der Heimatprosa erfahren, wo jedes Kapitel das Nest einer Generation ist. Wer einmal gelebt hat, vergißt das wechselvolle Vergnügen der Jahreszeiten nicht, er wird sogar von Kletten und Brennesseln träumen, von Spinnen, die nicht viel häßlicher sind als Schwalben. Wer einmal der Ironie begegnet ist, wird in Gelächter ausbrechen während des Vortrags eines Propheten, wer einmal gebetet hat nicht nur mit trockenen Lippen, wird das seltsame Echo, das von einer der Wände kommt, nicht vergessen. Wer einmal geschwiegen hat, wird beim Dessert nicht reden wollen, wen einmal der Schock der Liebe getroffen hat, kehrt zu den Büchern zurück mit veränderten Zügen im Gesicht. Einzelseele, dir gegenüber ist Überfluß. Zwei Augen, zwei Hände, zehn einfallsreiche Finger und nur ein Ego, ein halbes Pfund Apfelsinen, die jüngste der Schwestern. Die Freude des Hörens stört nicht die Freude des Sehens, aber der Rausch der Freiheit zerstört die Ruhe der übrigen milden Sinne. Die Ruhe, das derbe Nichts, voll süßen Saftes wie eine Septemberbirne. Die kurzen Momente des Glücks verschwinden in der Lawine des Sauerstoffs, mit dem Schnabel hackt im Winter die Krähe aufs weiße Eis des Sees, ein andermal sucht das von einer Axt verscheuchte Spechtpaar vor meinem Fenster sich eine reichlich kränkliche Pappel. Die abwesende Frau schreibt lange Briefe, und ihre Sehnsucht quillt wie Opium; im Ägyptischen Museum liegt die gleiche Sehnsucht, älter um einige tausend Jahre, auf bronzenem Papyrus feingerieben, unerschütterlich, unzerbrochen. Liebesbriefe landen immer am Ende in einem Museum, die Neugierigen sind standhafter als die Verliebten. Das Ego schnappt gierig nach Luft, der Verstand erwacht aus dem Tagtraum, der Schwimmer verläßt das Wasser. Die schöne Frau gibt vor, glücklich zu sein, die Männer stellen sich etwas tapferer dar, als sie sind, das Ägyptische Museum verbirgt die menschlichen Schwächen nicht. Sein, nur noch sein, dabei vielleicht sich an einen der kalten Sterne verpachten. Und manchmal darüber lachen, daß er so kühl und glatt ist wie ein Frosch im Teich. Das Gedicht wächst aus dem Widerspruch, aber es wächst diesen nicht zu.
Lebenslänglich
Vorbei jene Leiden. Das Weinen verstummt. Im alten Album ...
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