Was wir sagen, wenn wir reden (gebundenes Buch)

Was wir sagen, wenn wir reden

Glossen zur Sprache

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783446204805
Sprache: Deutsch
Seiten: 280 S.
Fomat (h/b/t): 2.6 x 21 x 13.5 cm
Bindung: gebundenes Buch

Beschreibung

Eine Gebrauchsanweisung für die deutsche Sprache: was man mit ihr ausdrücken kann und was nicht, wie man ihre Möglichkeiten erweitert und was man tunlichst vermeiden sollte. Hans-Martin Gauger hat in den letzten Jahren beobachtet, wie sich unsere Sprache verändert hat, nicht zuletzt durch E-Mail und SMS. Noch nie wurde so leicht und unterhaltsam erklärt, was wir sagen, wenn wir reden.

Autorenportrait

Hans-Martin Gauger, Jahrgang 1935, aufgewachsen im Saulgau, war von 1969 bis 2000 ordentlicher Professor für Romanische Sprachwissenschaft an der Universität Freiburg und von 1984 bis 1989 Vizepräsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt.

Leseprobe

Zur Sprache der Medizin 'Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen', erklärt Mephisto - in der Rolle Fausts - dem Anfänger, dem 'Maulesel', dem 'mulus', wie man damals sagte (wieder - siehe 'Auch die Sprache kritisiert' - eine Tierbezeichnung!) und fährt dann begründend fort: 'Ihr durchstudiert die groß' und kleine Welt, Um es am Ende gehn zu lassen,wie's Gott gefällt.' Es folgen dann in dieser denkwürdigen Studienberatung, der 'Schülerszene' also in FaustI (Verse 2011-2014), noch einige konkretere Ratschläge. Letzlich somit kann die Medizin nichts machen ...Ein bedeutender Mediziner unserer Tage, Wolfgang Gerok, hat dies vor einigen Jahren in seiner Abschiedsvorlesung in Freiburg, anläßlich seiner Emeritierung, ganz positiv aufgegriffen: ja, dieser Geist sei 'leicht zu fassen' in der Tat; da gehe es nur um drei Dinge: heilen, lindern (dazu gehören die bekannten 'palliativen Maßnahmen') und, 'am schwersten', sagte Gerok, trösten. Vielleicht aber ist dieser Geist doch nicht so geradlinig. Vielleicht ist in ihm doch mehr "Sophistikation" (diesem interessanten englischen Wort fehlt deutsch eine knappe Entsprechung). Es gibt unter Medizinern einen eigentümlichen, gelegentlich, aber gar nicht so selten, unauffällig hervortretenden Sprachgebrauch. Ist man aber einmal darauf aufmerksam geworden, stößt man immer wieder auf den Tatbestand, daß der Mediziner, der doch uns helfen will, sich sprachlich - anscheinend oder scheinbar (hier kommt auf die Differenz alles an!) - auf die Seite der Krankheit stellt. Es kommt geradezu so heraus, als wäre er eher für die Krankheit als für uns. Die Sache fängt an mit dem merkwürdigen positiv und negativ - negativ ist hier gut, gut für den Patienten, für ihn ist negativ somit positiv, und positiv ist hier, in der Rede des Mediziners, schlecht, schlecht nämlich für den Patienten (für den Mediziner ist positiv dann aber doch wieder gut - er kann in Aktion treten). Natürlich kann man, wenn man einen naturwissenschaftlichen Ansatz voraussetzt, wie wir dies heutzutage und seit langem müssen oder dürfen, leicht nachvollziehen, wie es zu dieser, der Normalsprache entgegengesetzten Ausdrucksweise kommt. Aber es bleibt etwas Irritierendes, denn negativ heißt negativ für die Krankheit (und für positiv gilt umgekehrt dasselbe: positiv für die Krankheit, da kann sie sozusagen lachen). Ich habe es erlebt, daß ein Mann ins Wartezimmer zurückkehrte und seinem wartenden Freund mit bebender Stimme sagte: 'Das Ergebnis war negativ.' Er konnte dann, nicht ohne Mühe, aufgeklärt werden - negativ sei in diesem Falle gut. 'Nein, negativ ist schlecht!' war sein erster erregter Einwand. Da war wohl zu wenig gesprochen worden: 'Also, negativ. Auf Wiedersehen!'Hierzu eine Anmerkung, die nur indirekt zur Sache gehört. Wenn wir einen Arzt aufsuchen, ist es ja in der Regel so, daß er erstens möglichst wenig sprechen läßt und zweitens auch selbst wenig spricht. Wenn dies übertrieben ist, ist es doch nicht stark übertrieben. Merkwürdig ist nur, daß die - zumeist eher kurze - Veranstaltung, bei der dies nur durch knappe Sätze oder Halbsätze unterbrochene Schweigen stattfindet, wobei ja auch noch geschrieben wird, ausgerechnet "Sprechstunde" heißt. Sollte nicht unsere Sprache hier eine verborgene Weisheit enthalten? Englisch heißt dies consulting oder surgery hours, amerikanisch office hours; französisch la consultation, spanisch la consulta, und diese Wörter, insoweit sie auf lateinisch consulere zurückgehen, meinen ja etwas sprachlich Stattfindendes (übrigens sind alle hier genannten englischen Wörter, consulting, hour, surgery, office lateinisch - sie wären oder hießen im Deutschen "Fremdwörter"!). Tatsächlich hat ja schon Hippokrates diese Stufenleiter der ärztlichen Maßnahmen aufgestellt (ich weiß es durch ein Gespräch, in der Sprechstunde, mit meinem Hausarzt Dr. von Zedtwitz): erst das Wort, dann, wenn es nicht ausreicht, die Pflanze, schließlich, wenn auch diese nicht ...