Sorry (gebundenes Buch)

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783550087721
Sprache: Deutsch
Seiten: 397 S.
Fomat (h/b/t): 3.5 x 22 x 14.7 cm
Bindung: gebundenes Buch

Beschreibung

Ihr Angebot rüttelt die Geschäftswelt auf, denn sie entschuldigen sich für die Vergehen von Unternehmen. Sie bieten den Schuldigen Unterstützung an und helfen den Opfern. Sie selbst verdienen viel Geld damit, die vier jungen Berliner, die diese clevere Geschäftsidee hatten, irgendwann, bevor alles anfing. Immer mehr Menschen erleichtern über sie ihr Gewissen - als ihnen eines Tages jemand den Auftrag erteilt, eine Tote um Verzeihung zu bitten für die unvorstellbaren Qualen, unter denen sie starb. Hier schnappt die Falle zu. Die Lektion, die der Auftraggeber ihnen ab jetzt erteilt, ist voller Dunkelheit: Wie Schachfiguren werden sie auf eine Spur der Grausamkeit gesetzt, auf der es keine Vergebung gibt, kein Schwarzweiß mehr zwischen Opfer und Täter. Zoran Drvenkars verstörender neuer Roman erzählt auf zwingende Weise von einer Welt, in der wir der Gewalt nicht mehr ausweichen können.

Autorenportrait

Zoran Drvenkar wurde 1967 in Kroatien geboren und zog im Alter von drei Jahren mit seinen Eltern nach Berlin. Seit 1989 arbeitet er als freier Schriftsteller und lebt jetzt in einer alten Kornmühle in der Nähe von Berlin. Er ist der Autor vielfach ausgezeichneter Kinder- und Jugendbücher, unter anderem schrieb er unter Pseudonym den Bestseller Die Kurzhosengang. 2003 erschien sein Psychothriller Du bist zu schnell, der zurzeit verfilmt wird. In Zusammenarbeit mit Gregor Tessnow entstand nach dessen Roman das Drehbuch zu Knallhart, das 2006 unter der Regie von Detlev Buck verfilmt wurde.  

Leseprobe

DU Es überrascht dich, wie einfach es ist, sie ausfindig zu machen. Du hast in solch einem tiefen Loch gesteckt, daß dir nichts mehr möglich erschien. Du hast dich mehr und mehr verloren, und als du dachtest, niemals wieder Licht zu sehen, fiel dir sein anderes Adreßbuch in die Hände. Er besaß zwei, auch das wußtest du nicht, wie du so vieles nicht über ihn wußtest. Das eine Adreßbuch ist in Leder gebunden, das andere ein Oktavheft, wie ihr es in der Schule hattet. Du hast das Oktavheft durch Zufall zwischen Zeitschriften in seinem Nachttisch gefunden. Es ist voller Namen. Du hast sie gezählt. 46. Immer noch bricht Sehnsucht in dir aus, sobald du seine Handschrift siehst. Schief nach rechts geneigt, mit der Verzweiflung des Linkshänders. Deine Finger sind über die Namen, Adressen und Telefonnummern gewandert, als könntest du erspüren, was er gefühlt hat, während er sie schrieb. Zwei der Namen sind unterstrichen; es sind die einzigen Namen, die du kennst. An dem Tag, an dem du das Oktavheft entdeckt hast, ist Licht in deine Dunkelheit gekommen. Die Namen sind das ersehnte Zeichen gewesen, auf das du gewartet hast. Ein halbes Jahr des Wartens, und dann dieses Licht. Woher hättest du auch wissen sollen, daß manche Zeichen gesucht werden müssen? Niemand hat dir das gesagt. Eine der beiden Adressen ist nicht mehr gültig, aber das ist kein Problem für dich. Du hast Erfahrung damit, Menschen ausfindig zu machen. Unser System funktioniert hauptsächlich durch Informationen, und nichts ist heutzutage leichter zu bekommen. Du hast zwei Minuten gebraucht. Die Frau ist nach Kleinmachnow gezogen. Auf dem Stadtplan findest du heraus, daß sie ihr neues Zuhause um exakt drei Kilometer Luftlinie in Richtung Süden verschoben hat. Das neue Mietshaus erinnert sehr an das alte. Wir sind Wesen der Gewohnheit. Wenn wir uns umdrehen, wollen wir wissen, was hinter uns liegt. Du wartest geduldig, bis einer der Mieter das Haus verläßt, dann steigst du hoch in das dritte Stockwerk und klingelst. – Ja, bitte? Sie ist jetzt Ende Vierzig und sieht aus, als wären die letzten Jahre ein langer, mühsamer Weg gewesen, den sie allein gehen mußte. Es ist egal, wie sie aussieht, du hättest sie überall wiedererkannt. Ihre Haltung, ihre Stimme. Es überrascht dich, daß du sogar ihre Gesten verinnerlicht hast. Du hattest mit dieser Frau nie eine Beziehung, dennoch ist dir alles an ihr vertraut. Wie sie sich vorbeugt, wie sie dich ansieht, das Zusammenkneifen ihrer Augen, der fragende Blick. Jedes Detail hat sich so tief in dich eingebrannt, daß es mehr als nur Erinnerung ist. – Hallo, sagst du. Sie zögert kurz. Sie ist sich nicht sicher, ob du eine Bedrohung bist. Du würdest sie gerne fragen, welche Bedrohung am hellichten Tag vor einem Mietshaus in Kleinmachnow auftaucht und lächelt. – Kennen wir uns? Da ist plötzlich Interesse in ihren Augen. Es wundert dich nicht. Sie ist ein neugieriger Mensch; auch wenn sie dich noch nicht einordnen kann, zeigt sie keine Spur von Mißtrauen. Die gefährlichsten Menschen sind nicht mißtrauisch, sie sind interessiert. Du kennst diesen Blick. Als Kind hast du einen Unfall auf der Autobahn beobachtet. All das Blut, die Scherben, herumrennende Feuer wehrleute, Flammen und öligschwarzer Rauch. Jedesmal, wenn du danach mit deinen Eltern an der Unfallstelle vorbeigefahren bist, kam diese Aufregung in dir auf. Hier ist es passiert. Kann man noch was erkennen? Ist alles weg? Auf dieselbe Weise sieht sie dich an. – Wir kennen uns von früher, sagst du und reichst ihr das Foto. Ich wollte nur mal hallo sagen. Du weißt, sobald sie das Foto sieht, wird Panik in ihr hochkommen Vielleicht wird sie die Tür zuschlagen. Wahrscheinlich wird sie leugnen. Sie überrascht dich, wie sie dich schon immer überrascht hat. Sie ist gut für Überraschungen, denn sie ist unberechenbar. – Du bist das! Im nächsten Moment öffnet sie ihre Arme und umschließt dich warm und sicher. In der Wohnung erklärt sie, daß ihr Mann gegen sechs wieder zurückkommen wird, aber bis dahin sei ja noch ein wenig Zeit. Du weißt, daß sie geschieden ist und ihr Ex in der Nähe von Bornholm lebt. Es ist gut, daß sie dir Vertrauen vorspielt. Jede Unsicherheit ist gut. Ihr setzt euch in das Wohnzimmer. Von deinem Platz aus kannst du auf den Balkon schauen. Ein Tisch, keine Stühle. Neben dem Tisch eine Skulptur. Ein Junge, der den Kopf senkt und die Hände zum Gebet verschränkt. Dir sind solche Skulpturen im Baumarkt aufgefallen. Manche halten ein Buch, andere haben Flügel auf dem Rücken. Du siehst schnell weg, du fühlst dich geblendet, obwohl die Sonne an diesem Tag blaß und erschöpft herabscheint. – Möchtest du etwas trinken? Sie bringt dir ein Glas Mineralwasser und stellt es auf den Couchtisch neben das Foto. Zwei Jungen auf einem Fahrrad. Sie grinsen, sie sind so jung, daß es schmerzt. – Ich dachte, ich sehe dich nie wieder, sagt sie und beugt sich vor, um eine Strähne aus deiner Stirn zu streichen. Intim. Nahe. Du zuckst nicht zurück. Deine Selbstbeherrschung ist perfekt. – Habe ich dir gefehlt? möchte sie wissen. Ich habe in den Nächten von dir geträumt, willst du ihr antworten, aber du bist dir nicht sicher, ob es der Wahrheit entspricht. Da sind Träume und da ist die Realität, und du irrst dazwischen herum und versuchst, die beiden mit großer Mühe auseinanderzuhalten.