Was als wissenschaftlich gelten darf (Paperback)

Was als wissenschaftlich gelten darf

Praktiken der Grenzziehung in Gelehrtenmilieus der Vormoderne, Campus Historische Studien 70

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783593500782
Sprache: Deutsch
Seiten: 566 S., ca. 15 Abbildungen
Fomat (h/b/t): 3.4 x 21.3 x 14.1 cm
Auflage: 1. Auflage 2014
Bindung: Paperback

Beschreibung

Lange Zeit hat man den Kulturen der Vormoderne die Befähigung zu Wissenschaftlichkeit abgesprochen. Dies geschah zu Unrecht, denn auch in den Jahrhunderten vor 1800 gab es institutionelle Ausprägungen, Lebenssituationen und Trägermilieus, soziale Vernetzungen und Regulierungsmechanismen von Wissenschaft. Öffnungsversuche gegenüber neuen Wissensfeldern, dezidierte Absonderungen von vermeintlich dilettantischem und unorthodoxem Wissen sowie der Umgang mit »geheimem« Wissen sind daher wichtige neue Phänomene, die dieser Band in Beiträgen von Vertretern unterschiedlicher kultur- und sozialwissenschaftlicher Disziplinen eingehend untersucht.

Autorenportrait

Martin Mulsow ist Professor für Wissenskulturen der europäischen Neuzeit an der Universität Erfurt und Direktor des Forschungszentrums für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien Gotha. Frank Rexroth ist Professor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Göttingen. Beitrag von Maren Anders; Andreaa Badea; Anna Echterhölter; Marian Füssel; Martin Gierl; Matthias Heiduk; Caspar Hirschi; Maarten J.F.M. Hoenen; Marita Huebner; Kay Peter Jankrift; Sabine Kalff; Martin Mulsow; Michael Multhammer; Andreas Pietsch; Bernd Roling; Frank Rexroth; Laurens Schlicht; Sita Steckel; Urte Stobbe; Charlotte Wahl

Leseprobe

Vorwort Zu untersuchen, mit welchen Praktiken vormoderne Gelehrtenmilieus die Aufnahme neuen Wissens regulieren (und möglicherweise unterbinden), war bereits das Anliegen einer Sektion auf dem Deutschen Historikertag in Berlin 2010, die wir gemeinsam organisiert hatten. Dass die dort gehaltenen Referate eine solch lebendige Diskussion entfachten, ermunterte uns, eine ganze Tagung dem "boundary work" mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Wissenschaft zu widmen. Bei deren Durchführung vom 29. Februar bis zum 2. März 2012 unterstützte uns neben unseren beiden Universitäten auch die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Für den Abendvortrag von Martin Gierl stellte uns das Göttinger Lichtenberg-Kolleg freundlicherweise seine Räumlichkeiten zur Verfügung. Unser Dank gilt neben diesen Institutionen vor allem Dr. Katharina Ulrike Mersch, die mit großer Präzision und gewohnter Professionalität die redaktionelle Betreuung der Manuskripte besorgte. Dr. Matthias Heiduk übernahm die Organisation der Historikertagssektion und der Göttinger Tagung, Lisa Schneider wirkte mit bei der Erstellung der Druckfahnen. Unser Dank gilt auch Herrn Jürgen Hotz vom Campus-Verlag, der die Drucklegung engagiert förderte. Erfurt und Göttingen, am 11. März 2014 Die Herausgeber Praktiken der Grenzziehung in Gelehrtenmilieus der Vormoderne. Einige einleitende Bemerkungen Frank Rexroth Die Grenzen, von denen im Titel dieses Bandes die Rede ist, sind diejenigen der vormodernen Wissenschaften. Ihre Wächter sind zunächst die institutionellen Mechanismen der organisierten Disziplinen: Die Immatrikulationseide der Hochschulen und die akademischen Grade, die an diesen verliehen werden; die Curricula und die Examina, die der Neuling wie Übergangsrituale abzulegen hat; die Pflichtvorlesungen und die Verbote, bestimmte Texte zu lesen oder zu hören. Doch dies waren keineswegs die einzigen Vorrichtungen zur Regelung der Frage, ob eine bestimmte geistige Praxis als wissenschaftlich gelten konnte, mithin der Frage, welches die erlaubten und welches die inakzeptablen (und vielleicht sogar verbotenen) Wissenschaften waren. Denn das >höhere< Wissen der Vormoderne war keineswegs auf die stark regulierten, in Ansätzen bürokratisierten Universitäten begrenzt. Entscheidende Innovationen erbrachten Gelehrte bereits in den scholae des 12. Jahrhunderts, an den Höfen der gesamten Vormoderne, an den frühneuzeitlichen Akademien, Spezialschulen und Gelehrtensodalitäten. Und mehr noch: Auch unterhalb der Schwelle jener festen Institutionen der Grenzziehung stabilisierte eine ganze Reihe sozialer Regulative die Vorstellungen von der Angemessenheit intellektueller Praktiken und ihrer Hervorbringungen: die fama und die "Ehre" bzw. das "Ethos" des Gelehrten, das decorum seines Verhaltens, überdies die einigenden Mechanismen der akademischen Stände und der Professionen, die aus den universitären Korporationen der Theologen, Juristen und Mediziner heraus entstanden. Ihnen sind wertvolle Studien gewidmet worden, so dass wir über ihre Eigenlogik und ihre sozialen Funktionen vor allem dort recht gut Bescheid wissen, wo es um die Inklusionsmechanismen und Integrationspraktiken der Wissenschaft geht. Freilich kann man für die Jahrhunderte vor dem ausgehenden 18. Jahrhundert keine ähnlich klar ausgeprägte Spezifität des wissenschaftlichen gegenüber anderen Formen >gelehrten< Wissens annehmen. Denn erst in dieser Ära konstituierte sich die Wissenschaft nach dem Paradigma der Forschung neu, so dass Gelehrtheit und forschungsbasiertes wissenschaftliches Wissen auseinandertraten. Unsere eigenen Vorstellungen von dem Wissen, das das Gütesiegel der Wissenschaftlichkeit trägt, sind unvermeidbar von den Verhältnissen der vergangenen 200 Jahre - und vor allem natürlich von unserer eigenen Forschungspraxis - beeinflusst. Wenn wir also von heute über den "big ditch" (Ernest Gellner) der Sattelzeit hinweg auf die Welt des 12. bis 18. Jahrhunderts sehen, sind wir gehal

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