Die neue Offenheit (Paperback)

Die neue Offenheit

Wahlverhalten und Regierungsoptionen im Kontext der Bundestagswahl 2013

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783593501611
Sprache: Deutsch
Seiten: 388 S., zahlr. Grafi
Fomat (h/b/t): 2.4 x 21.4 x 14.2 cm
Auflage: 1. Auflage 2016
Bindung: Paperback

Autorenportrait

Prof. Dr. Ursula Münch leitet die Akademie für Politische Bildung Tutzing. Prof. Dr. Heinrich Oberreuter lehrte Politikwissenschaft an der Universität Passau.

Leseprobe

Wahlen, Parteiensystem, Regierungsbildung: Deutschland 2013 Heinrich Oberreuter 1. Auf dem Weg in die Große Koalition Seit dem Wahlabend des 22. September 2013 war Deutschland auf dem Weg in eine Große Koalition, den das Wahlergebnis wies. Schwarz-Gelb war nicht mehr möglich, für Rot-Grün reichte es bei Weitem nicht und Rot-Rot-Grün war nie ein ernsthaft in Erwägung gezogenes Modell. In gleiche Richtung wies das Erfordernis einer stabilen Regierung, nicht zuletzt auch angesichts der keineswegs ausgestandenen Banken- und Staatsschuldenkrise im Euroraum. Sie ließ im Grunde keine andere Wahl. Ähnliches gilt für die Konstellation zwischen Bundestag und Bundesrat. Im Bundesrat ließ sich gegen die SPD keine Mehrheit bilden. Und 40 Prozent der Gesetze bedürfen der Zustimmung dieser zweiten Kammer. Angesichts dieser Konstellation war die Koalitionsbildung vorgezeichnet, auch wenn große - oder besonders artikulationsstarke - Teile der SPD sie nur widerwillig akzeptierten. Die Mitgliedschaft von 15 Landesministerpräsidenten bzw. Landesministern in den Verhandlungskommissionen für den Koalitionsvertrag belegt die Relevanz des Föderalismus für erfolgreiches Regieren in Berlin. Gleichwohl ist der Weg zur Regierungsbildung 2013 der längste in der Geschichte der Republik gewesen. Sondierungen zwischen SPD, Linken und Grünen hat es, trotz aller Avancen der Linken, nicht gegeben. Die Sondierungen zwischen Schwarz (Union) und Rot (SPD) verliefen von Beginn an konstruktiv und kooperativ, die zwischen Schwarz und Grün zumindest sachorientiert und trotz fortbestehender wesentlicher Dissenspunkte (speziell zur Energiepolitik) in einem unerwartet positiven Kommunikationsklima. Dies schien alle Beteiligten zu überraschen, die Grünen in Verbindung mit ihrem bevorstehenden umfassenden Personalumbau auch zu überfordern, wenn nicht zu ängstigen. Schwarz-grüne Koalitionschancen erscheinen in der Zukunft wahrscheinlicher, auch weil beide Parteien an einer Erweiterung ihrer Optionen interessiert sein müssen, um nicht im Kern an einen einzigen Partner gefesselt zu sein. Nicht zuletzt deswegen wurde die Koalition in Hessen (wo am gleichen Tag gewählt worden war) möglich, für die es eigentlich historisch, ideologisch und klimatisch in Deutschland mit die schlechtesten Aussichten gegeben hatte. Die Basis der SPD und ihr linker Flügel besaßen bis zuletzt erhebliche Vorbehalte. Diese stützten sich auf das desaströse Wahlergebnis von 2009 (?11,9 Prozentpunkte), nach der letzten Großen Koalition. Angeblich sei es durch die Mitarbeit in dieser Koalition und die Ausstrahlung der Kanzlerin verursacht gewesen. Beide Parteien waren jedoch numerisch und politisch gleich stark. In Wahrheit waren tiefe Zerwürfnisse in der SPD und erhebliche Führungskrisen für deren Niedergang verantwortlich. Sie verschliss in dieser Zeit fünf Parteivorsitzende. Die Querelen waren nicht zuletzt auf jenen linken Parteiflügel zurückzuführen, der nun 2013 starke Bedenken trug. Mit deren falschen Begründungen kämpfte er nicht nur um seinen Positionsvorteil, sondern suchte zugleich in der innerparteilichen Diskussion seine Fehler von 2009 zu überspielen. Einerseits war es der jetzigen Führung nach den ersten Sondierungen relativ gut gelungen, im Parteikonvent (einem Gremium der mittleren Funktionärsschicht) eine Mehrheit für den Eintritt in Koalitionsverhandlungen zu gewinnen. Andererseits bestanden allem (erzeugten?) Anschein nach Bedenken an der Basis fort. Selbst von Mitgliedern des Kompetenzteams des Kanzlerkandidaten Steinbrück war informell zu hören, es werde nicht einfach sein, Zustimmung zum noch auszuhandelnden Koalitionsvertrag zu gewinnen. Dies war nicht nur ein Druckmittel gegen die Union, bei dessen Aushandlung sozialdemokratischen Essentials zuzustimmen. Denn die SPD hatte den definitiven Beitritt zu einer Koalition mit CDU und CSU einem positiven Votum ihrer 470 000 Mitglieder unterworfen. Für solch einenMitgliederentscheid gilt ein Quorum von 20 Prozent,