Wodka Kalaschnikow (kartoniertes Buch)

Wodka Kalaschnikow

Wild East: Stories from the Last Frontier

Geschichten aus dem Wilden Osten

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783630620787
Sprache: Deutsch
Seiten: 399 S.
Fomat (h/b/t): 2.4 x 18.7 x 11.9 cm
Bindung: kartoniertes Buch

Beschreibung

Hoch vergnügliche, literarische Erkundungen der unbekannten wilden Welt des europäischen Ostens. Ein naiv-dreister Botschaftersohn, der im vermeintlichen Schlaraffenland aus Bediensteten und dollarwilligen Mädchen zwischen die Fronten der Mafia gerät, eine Spionin und ein Geheimagent, die sich wechselseitig vorspielen, ineinander verliebt zu sein, und damit aus dem Kalten Krieg ein Liebesballett machen, oder der Schwätzer vor dem Herrn, der sich vor der sicheren Hinrichtung bewahrt, indem er sich geschickt für einen Gefangenenaustausch empfiehlt: 13 grelle und lebenspralle Geschichten aus dem "Wilden Osten". Erzählungen von Alexander Hemon, Paul Greenberg, Viktor Pelewin, Arthur Phillips, Gary Shteyngart, Vladimir Sorokin u.v.a.

Autorenportrait

Boris Fishman wurde 1979 in Minsk geboren und kam mit neun Jahren nach Amerika. Er lebt in New York und ist Redaktionsmitglied des "New Yorker".

Leseprobe

GARY SHTEYNGART Shylock an der Newa Ich erwachte eines Tages durch einen Anruf des Malers Tschartkow, eines frisch gebackenen Absolventen der Akademie der schönen Künste: ein schlanker, bleicher Mensch mit flachsblondem Ziegenbärtchen und der allzu ernsten Miene des slawischen Intellektuellen - jawohl, die Sorte kennen wir alle. Blutunterlaufene Augen? Stachelfrisur? Unregelmäßige Zähne? Große Kartoffelnase? Dreißig-Rubel-Sonnenbrille vom U-Bahn-Kiosk? Das ganze Programm. Wie ich erwachte? Ich verspürte ein erregendes Vibrieren in meiner Hosentasche und bemerkte, dass ich in Hemd und Hose eingeschlafen war, weshalb mein Mobilnik noch neben dem stichhaltigen Organ ruhte, um das alle Welt so viel Aufhebens macht. 'Af', sagte ich zum Maler Tschartkow. Was sonst soll man unter diesen Umständen sagen, angesichts der verdammten Moderne, in der wir heute leben? Hol doch alles der Teufel, insbesondere diese winzigen finnischen Telefone, die sich einem die ganze Nacht in die Hosentasche kuscheln. 'Walentin Pawlowitsch.' Die Stimme des jungen Malers zitterte. 'Arschgeige', sagte ich. 'Wie spät ist es?' 'Schon ein Uhr', sagte der Maler und fügte, da ihm klar wurde, dass er sich mir gegenüber zu viel herausnahm, hinzu: 'Womöglich, tja also, wenn es Ihnen nicht allzu viel Mühe bereitet, könnten Sie noch vorbeikommen und ein weiteres Mal Modell sitzen für Ihr Porträt, so wie wir es vereinbart hatten?' 'Womöglich, womöglich', erwiderte ich. 'Aber sollte ich mich nicht vorher waschen? Machen das die zivilisierten Menschen in Europa nicht so? Dass man sich zuerst wäscht, bevor man für ein Porträt Modell sitzt?' 'Hm', sagte der Maler. 'Ich, nun ja, ehrlich gesagt, weiß ich das nicht. Ich war noch nie in Europa. Bloß in Litauen, da habe ich einen Onkel.' 'Litauen', sagte ich. 'So weit schon? Was sind Sie für ein weltgewandter Künstler, Tschartkow.' Ich wies ihn an, geduldig mein Eintreffen zu erwarten, und schaltete dann das Telefon ab. Klinge ich unfreundlich? Typisch Neuer Russe? Nun, der Leser sei versichert: Ich bin ein sehr netter Mensch, aber an jenem Tag war ich nicht sonderlich gut gelaunt, geradezu griesgrämig, möchte ich sagen. Schuld daran war das Crack. Am Vorabend hatte ich das Vergnügen gehabt, im Cafe Idiot drei Kanadier kennen zu lernen, zwei junge Männer und ein Mädchen. Sie waren mutig - und idiotisch - genug gewesen, ein paar Brocken von dem Zeug in unsere drogenverseuchte Stadt mitzubringen, und wir begaben uns rasch in meine Wohnung, um sie zu rauchen. Es war mein erstes Mal. Bravo, Walentin Pawlowitsch! Und wie war's? Nicht übel, als käme man in einen warmen, dunklen Raum, wo es sich zunächst recht angenehm anließ: ein beständiges Kribbeln in den unteren Regionen, ein Schwall Freudentränen und übermütige Schniefer, doch dann wurde es ungemütlich, vermutlich auf Grund der unglücklichen Vergangenheit, die uns allen gemein ist, der jugendlichen Prügel durch Eltern und Kameraden sowie der ständigen Strapaze, in diesem unserem Russland zu leben. Ja doch, so faselt man daher, am Morgen danach, nach seinen ersten Zügen aus der Crack-Pfeife: 'Russland, Russland, wohin rast du?', und dieser ganze Gogol-Quark. Ich zog mich in den Salon zurück und stellte fest, dass die Kanadier immer noch da waren. Sie lagen kreuz und quer über den Diwanen, begraben unter dicken Kammgarndecken, die ihnen vermutlich mein Kammerdiener Timofej übergeworfen hatte. Der Körper des kanadischen Mädchens zeichnete sich darunter ab - zwanzig Jahre und Oberschenkel wie ein Pferd -, und ihr pfeifendes Schnarchen drang an mein Ohr. Im Westen sind selbst die Drogensüchtigen noch gesund und kräftig. Ich erwog, mich in das Mädchen zu verlieben, nur um des Morgens ein wenig zusätzliche kanadische Wärme zu genießen. Doch welche Ausländerin fände mich schon anziehend? Die sind doch psychologisch ausgebufft, diese Mädchen, im Gegensatz zu unseren, denen kann ich mit meinem Geld und mein ...