Minimum (gebundenes Buch)

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783896672919
Sprache: Deutsch
Seiten: 185 S.
Fomat (h/b/t): 2 x 22 x 14.5 cm
Bindung: gebundenes Buch

Beschreibung

Warum man Freunde gewinnen muss - und was es kostet Unsere sozialen Beziehungen werden in den nächsten Jahrzehnten einer großen Belastung ausgesetzt: Sie werden knapp werden wie ein kostbarer Rohstoff. Schon heute bewegen sie sich in Teilen des Landes auf ein historisch nie gekanntes Minimum zu. Als Ergebnis der unumstößlichen Schrumpfung unserer Gesellschaft und aufgrund vielfältiger Globalisierungseffekte wird es eine Reduzierung unserer kleinsten Welt, der unserer Freunde und Familien geben. Diese Revolution wird sich in allen Lebensbereichen Geltung verschaffen: in der Politik wie in der Kultur, in der Wissenschaft wie im Alltag. Wer ist da, wenn niemand mehr da ist? Jeder hat gelernt, dass er für die Zukunft vorsorgen muss. Wir sollen sparen, Geld und Vorräte anlegen. Aber kann man eigentlich Kinder sparen, die man nie geboren hat? Zu den knappen Rohstoffen der Zukunft wird etwas gehören, das man nicht sparen kann: Verwandte, Freunde, Beziehungen, kurzum das, was man soziales Kapital nennt. In den kommenden Jahren wird sich unsere Lebensweise radikal verändern. In vielen Ländern Europas wird eine wachsende Zahl von Kindern in ihrer eigenen Generation wenige oder gar keine Blutsverwandte mehr haben. Künftig sehen sich ganze Landstriche, wie heute schon Teile Ostdeutschlands, mit einer Wanderungsbewegung junger Frauen konfrontiert; zurück bleiben Männer, deren Chancen, eine Partnerin zu finden, immer geringer werden. Frank Schirrmacher zeigt, dass unsere Gesellschaften auf diese Entwertung ihres sozialen Kapitals nicht vorbereitet sind: Der Wohlfahrtsstaat zieht sich in einem Moment als großer Ernährer zurück, in dem sich das private Versorgungsnetz aus Freundschaft, Verwandtschaft und Familie auflöst. Kann es in diesem Umfeld Uneigennützigkeit und Altruismus, selbstlose Hilfe und Unterstützung für den anderen überhaupt noch geben? Der Zusammenbruch unserer sozialen Grundfesten zwingt uns, unser alltägliches Zusammenleben von Grund auf umzuorganisieren. Dabei werden Frauen eine alles entscheidende Rolle spielen. "Wenn du einen Jungen erziehst, erziehst du eine Person, wenn du ein Mädchen erziehst, erziehst du eine Familie und eine ganze Gemeinschaft - ja, eine Nation." (JAMES D. WOLFENSOHN, EHEMALIGER WELTBANKPRÄSIDENT)

Leseprobe

Die Männer Es ist eiskalt. Und so weit das Auge reicht, liegt Schnee. Aus der Vogelperspektive betrachtet, sieht die Landschaft aus wie ein riesiger weißer Bogen Papier, auf dem sechs abgezirkelte schwarze Kreise eingezeichnet sind. Diese Kreise markieren Lager, notdürftig errichtet von den Menschen, die hier festsitzen. Insgesamt sind es einundachtzig: mehrere große Familien, Alleinreisende und einige ortskundige Führer, die den Treck sicher durch die Sierra Nevada hätten bringen sollen. Doch nun ist Ende November 1846, und die Siedler sind am Fuße eines Berges wie festgefroren. Ohne entsprechende Ausrüstung und überwältigt von dem frühen Wintereinbruch kommen sie mit ihren Planwagen nicht mehr weiter, der Schnee blockiert den Weg nach vorne und auch den Weg zurück. Schneestürme, die sich zu Tornados auswachsen, fegen fast täglich über sie hinweg, decken ihre Habseligkeiten zu. Jenseits der Berge, wo man vergeblich auf die Ankunft der Siedler wartet, schickt man ein Rettungsteam los. Doch es kommt nicht durch und muss umkehren. Die Retter wissen nicht, wie viel Vieh der Treck schon verloren hat, und fälschlicherweise glauben sie, die Gruppe hätte noch Vorräte für vier Monate. Die Lage ist aussichtslos. Von einem kleinen Trupp, der einige Wochen später im Dezember ohne die Gruppe weitergezogen ist, hören die Zurückgebliebenen nichts mehr. Margaret Reed, eine der Siedlerinnen, zermürben Hunger und Kälte so sehr, dass sie beschließt, zu Fuß über die verschneiten Berge zu fliehen. Zusammen mit ihrer dreizehnjährigen Tochter Virginia, einer Bediensteten und einem Führer macht sie sich auf; ihre drei jüngeren Kinder lässt sie bei den anderen Familien zurück. Aber neue, noch heftigere Schneestürme zwingen den kleinen Trupp schon nach wenigen Kilometern zur Umkehr. Es ist, als wäre ein böses Märchen wahr geworden: Ein schrecklicher Bann liegt auf dem Lager - und niemand kann ihn brechen. Heute wissen wir: Dieser Bann schmiedete die Menschen sechs Monate lang in der Eiswüste aneinander, und mit jedem Tag, der verging, näherten sie sich dem absoluten Minimum, das zum Überleben notwendig war. Was sich zwischen ihnen abspielen wird, ist eine ziemlich schauerliche Geschichte, in der bis zum Mord kein menschliches Verbrechen ausgelassen und bis zur aufopfernden Liebe über den Tod hinaus keine menschliche Größe unverzeichnet bleibt. Das Schicksal dieser Menschen ist als die Tragödie vom Donner-Pass tief in das amerikanische Gedächtnis eingegraben. Voller Optimismus hatten sich die Siedler auf den Weg gemacht, die meisten von ihnen waren wohlhabend und stammten aus Deutschland oder Österreich. Jakob Donner und sein Bruder George, die den Ereignissen ihren Namen gaben, beides reiche Landbesitzer, hatten die Spitze des Zugs gebildet. Sie waren mit Karren und Planwagen und großen Vorräten für Körper und Geist losgezogen, mit Bibel und Gesangbüchern, mit Illusionen und Träumen vom fernen Kalifornien, das irgendwo jenseits des Horizonts liegen musste. »Ich sitze im Gras in der Mitte meines Zeltes«, schreibt die fünfundvierzigjährige Tamsen Donner am Tag der Abreise an ihre Schwester und verkündet: »Morgen gehen wir nach Kalifornien, in die Bucht von Francisco. Die Reise dauert vier Monate. Wir haben drei Wagen, die mit Nahrung, Kleidung und solchen Dingen gefüllt sind. Ich bin entschlossen zu gehen und bin sicher, es wird für unsere Kinder von Vorteil sein.« Tamsen Donner ist Lehrerin. Sie macht viele Notizen, sie plant, ein Buch über die Pflanzenvielfalt des Wilden Westens zu schreiben. Ihr Notizbuch wurde niemals gefunden. Nach allem, was ihre Mitreisenden später berichteten, wurde aus dem Buch über die verschiedenen Arten der Pflanzen bald eines über die verschiedenen Arten der Menschen in Zeiten der Not. Man darf sich die Reisegruppe nicht als eine Bande von Glücksrittern und Goldsuchern vorstellen. Sehr viele dieser Menschen sind als Bürger und Kaufleute in ihr neues Leben aufgebrochen. Virginia Reed wird sich später dara