Der wunde Punkt (gebundenes Buch)

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783896672926
Sprache: Deutsch
Seiten: 447 S.
Fomat (h/b/t): 4 x 22 x 14.5 cm
Bindung: gebundenes Buch

Autorenportrait

Mark Haddon wurde 1962 in Northampton geboren, studierte am Merton College, Oxford, Literatur und lebt heute mit seiner Frau und seinen Kindern in Oxford. Für das Kinderprogramm der BBC hat Mark Haddon Drehbücher geschrieben, die ihm zweimal den begehrten BAFTA-Preis eintrugen. Mit dem Roman "Supergute Tage" landete er auf Anhieb einen Weltbestseller und wurde in England mit dem renommierten Whitbread-Award ausgezeichnet. Auch sein zweiter Roman "Der wunde Punkt" (2007) erschien im Blessing Verlag und war ein großer internationaler Erfolg.

Leseprobe

Alles fing damit an, dass George eine Woche vor Bob Greens Beerdigung einen schwarzen Anzug bei Alders anprobierte. Es war nicht die Aussicht auf die Beerdigung, die ihn aus der Bahn geworfen hatte. Auch nicht Bobs Tod. Wenn er ganz ehrlich sein wollte, hatte er Bobs schulterklopfende Jovialität immer etwas ermüdend gefunden und war insgeheim erleichtert, dass er nicht mehr mit ihm zusammen Squash spielen musste. Auch die Art, wie Bob gestorben war (ein Herzinfarkt, während er sich ein Bootsrennen im Fernsehen ansah), war merkwürdig beruhigend. Als Susan vom Besuch bei ihrer Schwester nach Hause gekommen war, hatte sie ihn in der Zimmermitte gefunden, wo er mit einer Hand über den Augen dalag und so friedlich aussah, dass sie zuerst dachte, er schliefe. Wahrscheinlich tat es weh. Aber mit Schmerzen konnte man fertig werden. Dann wurden bestimmt auch ziemlich bald die Endorphine ausgeschüttet, und dann kam das Gefühl, das gesamte Leben zöge vor dem geistigen Auge vorbei, was George vor ein paar Jahren auch schon einmal erlebt hatte, als er von einer Trittleiter gefallen war, sich den Ellbogen auf der Steineinfassung gebrochen hatte und ohnmächtig geworden war, was er als gar nicht so unangenehm in Erinnerung hatte. Mit dem Tunnel aus weißem Licht, sobald die Augen sich für immer schlossen, war es vermutlich nicht sehr viel anders, wenn man an die vielen Leute dachte, die hörten, wie die Engel sie heimriefen, und dann aufwachten und einen Assistenzarzt mit dem Defibrillator über sich stehen sahen. Dann. nichts mehr. Es wäre vorbei. Natürlich war es zu früh. Bob war einundsechzig gewesen. Und es war ein schwerer Schlag für Susan und die Söhne, auch wenn Susan jetzt aufblühte, da sie ihre Sätze nun selbst zu Ende sprechen durfte. Aber insgesamt kam es ihm wie ein guter Abgang vor. Nein, es war die Stelle gewesen, die ihn umgehauen hatte. Er hatte seine Hose ausgezogen und war gerade in die untere Hälfte des Anzugs gestiegen, als er ein kleines Oval hochgewölbter Haut an seiner Hüfte sah, das dunkler als die Haut drumherum war und leicht schuppte. Der Magen drehte sich ihm um, und er hatte Mühe, die Säure wieder hinunterzuschlucken, die in seinem Hals hochgestiegen war. Krebs. Seit John Zinewskis Boot Fireball vor mehreren Jahren gekentert war und er sich unter Wasser wiederfand, wo sich sein Fußknöchel in einem Seilgewirr verknotet hatte, hatte er sich nicht mehr so gefühlt. Aber das hatte drei oder höchstens vier Sekunden gedauert. Und diesmal war keiner da, der ihm helfen würde, das Boot wieder aufzurichten. Er würde sich umbringen müssen. Es war kein sehr angenehmer Gedanke, aber er würde das hinbekommen, was ihm ein bisschen mehr das Gefühl gab, die Situation unter Kontrolle zu haben. Die einzige Frage war nur, wie. Von einem Hochhaus zu springen war eine schreckliche Vorstellung; seinen Schwerpunkt über die Brüstung hinauszuschieben, die Möglichkeit, dass man es sich auf halbem Weg nach unten anders überlegen könnte. Was er jetzt auf keinen Fall gebrauchen konnte, waren noch weitere Angstschübe. Zum SichAufhängen brauchte man eine Ausrüstung, eine Schusswaffe besaß er nicht. Wenn er genug Whisky trank, würde er vielleicht den Mut aufbringen, mit dem Auto gegen eine Wand zu fahren. Vor Stamford gab es auf der A16 eine große Durchfahrt aus Stein. Er könnte völlig problemlos mit hundertfünfzig dagegenrasen. Aber was war, wenn er den Mut verlor? Was, wenn er zu betrunken war, um das Auto zu steuern? Was, wenn gerade jemand aus einer Einfahrt kam? Was war, wenn er denjenigen totfuhr, selbst gelähmt wurde und dann im Gefängnis im Rollstuhl an Krebs starb? »Sir.? Wenn Sie mir bitte zurück ins Geschäft folgen würden?« Ein junger Mann von ungefähr achtzehn Jahren starrte auf George herunter. Er hatte rotblonde Koteletten und eine marineblaue Uniform, die ihm mehrere Nummern zu groß war. George merkte, dass er im gefliesten Eingang vor dem Laden kauerte. »Sir.?« George rappelte sich auf. »Es