Memoiren eines Moralisten (gebundenes Buch)

Memoiren eines Moralisten

Das Exil im Exil

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783630872780
Sprache: Deutsch
Seiten: 512 S.
Fomat (h/b/t): 3.5 x 19.2 x 13 cm
Bindung: gebundenes Buch

Beschreibung

Hans Sahls berühmte Erinnerungsbücher in einer Neu-Edition. Hier erzählt Sahl, einer der großen Schriftsteller der deutschen Emigration, von seiner behüteten Kindheit in Dresden und den 20er Jahren in Berlin, von seinem Aufstieg zu einem berühmten Filmkritiker, der mit Bert Brecht, Ivan Goll und Ernst Toller befreundet war, von der Flucht vor den Nazis 1933 und wie er die langen Jahre im Exil verbrachte.Hans Sahl wurde von den großen Schriftstellern der deutschen Emigration als letzter wiederentdeckt. In den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts begann man sein Werk (Erzählungen, Gedichte, Theaterstücke) wieder wahrzunehmen und in seiner Bedeutung zu erfassen. Ihm wurden wichtige literarische Preise verliehen, er war ein gern gesehener Gast bei öffentlichen Diskussionsrunden und wurde zu Lesungen eingeladen. Was bei Hans Sahls erstem Versuch Anfang der 50er Jahre misslang, sollte Jahrzehnte später bei seinem zweiten Versuch endlich glücken: in Deutschland wieder Fuß zu fassen.Zu den wichtigsten Werken Hans Sahls gehören die beiden spät entstandenen autobiographischen Bücher Memoiren eines Moralisten (1983) und Das Exil im Exil (1990). Darin erzählt er von seiner behüteten Kindheit in Dresden und den 20er Jahren in Berlin, von seinem Aufstieg zu einem berühmten Filmkritiker und Kulturjournalisten. Hans Sahl hatte Kontakt zu Bertolt Brecht, er war befreundet mit Iwan Goll und Ernst Toller, er kannte Ernst Rowohlt sehr gut und gehörte unter den Schriftstellern damals zu denen, die das Denken ihrer Zeit stark beeinflusst haben. 1933 musste er vor den Nazis fliehen, zuerst nach Prag und dann über Zürich, Paris und Marseille nach New York. Dort verbrachte er mehr Zeit als in Deutschland zuvor, und dort wurde er zum Zeugen, wie eine lebendige deutsche Kultur starb und vergessen wurde. In Hans Sahls Erinnerungen kehrte auch das Wissen um diese Kultur zurück. Mit der Publikation der beiden Memoiren-Bände beginnt die Neu- Edition der Werke von Hans Sahl in vier Bänden.

Leseprobe

DIE UNBEHOLFENEN Wir, die wir so unbeholfen sind, da?selbst die Kr?ten, die schwerf?igen, vor uns erzittern, Diebe alles stehen und liegen lassen, Verkehrsst?rungen entstehen, Betriebsunf?e, Aufst?e, Br?e. Wir, die wir so unbeholfen sind, da?wir ?ber unsere eigenen Beine stolpern, aber den fremden behutsam aus dem Wege gehen, Blinde ?ber die Stra? f?hren und nicht merken, da?sie es sind, die uns f?hren, Wein aus falschen Gl?rn trinken, falsch lieben, das richtige Wort am falschen Platze sagen. Wir, die Unbeholfenen, die wir aus unserer Unbeholfenheit kein Hehl machen, wie haben wir doch die Meere bezwungen, den Krieg und die gro? Pestilenz, wo wir doch nicht einen Fu?vor den anderen setzen konnten, und M?he hatten, das eigene Wort zu verstehen. Oh, wie ich das kenne, diese Aufmunterungen, dieser Appell an das Gewissen, etwas zu schreiben, das man nicht mehr schreiben wollte, diese schmeichelnd zwischen Vor-und Hauptgericht hingeworfene Bemerkung, die dich ?berreden will und in der du dich streckst und r?lst wie in einem Schaumweinbade: wenn nicht du, wer sonst? Ja, wenn nicht du, wer sonst w? noch am Leben, der berichten k?nnte, wie Brecht gespuckt und Thomas Mann sich ger?pert hat? Wenn nicht du, wer sonst k?nnte sich r?hmen, dabeigewesen zu sein, bevor Ninive versank und Berlin noch kein Mythos war, sondern eine Stadt? Wenn nicht du, wer sonst w? geeigneter, einer Jugend zu erz?en, wer ihre V?r waren - nicht viel anders als sie selber, nur ein wenig ?er und noch nicht ganz so gewandt im Umgang mit der Freiheit wie ihre S?hne, die sie heute genie?n, es sich gew?nscht h?en. Man sch?t die Freiheit erst, wenn man sie verloren hat, und dann ist es meistens zu sp? Zugegeben. Und doch - wer w? nicht m?de, sich anh?ren zu m?ssen, da?jene Vergangenheit, um die es hier geht, keine Zukunft mehr habe, was ?brigens auf jede Vergangenheit zutrifft, und da?man also aufh?ren solle, sich mit ihr zu besch?igen. Wenn nicht ich, wer sonst? Nein, ich will keine Memoiren schreiben. Ich bin kein General im Ruhestand, der seinen verlorenen Schlachten eine eiserne Tr? nachweint, keine alternde Schauspielerin, die aus Mangel an Besch?igung sich einer Zeit erinnert, in der die dramatischen Auftritte vorwiegend im Schlafzimmer stattfanden. Zudem habe ich einmal den ?Roman einer Zeit? geschrieben, in dem ich die Fakten meines Lebens und die Ereignisse, die sie bestimmten, in einem Buch verschl?sselte, das von mir handelte und doch auch wieder nicht nur von mir, einem Ich-Roman, der zugleich ein Du- und ein Er-Roman war, und in dem ich das autobiographische Material nur als Rohstoff benutzte. Ich wollte, um mit Arthur Koestler zu sprechen, die Lawine zeigen und zugleich die einzelnen Kristalle, aus denen sie sich zusammensetzte. Was mir vorschwebte, war, ein Inventar jener Zeit vorzunehmen, die noch frisch in unseren Kleidern hing. Es ging mir nicht darum, die Menschen beim Namen zu nennen und sie identifizierbar zu machen; ihr Beispiel stand f?r viele: erst im Zusammenhang mit der Lawine erf?llt der Kristall sein Schicksal. Nun, da viele der Menschen, denen ich begegnete, nicht mehr am Leben, ihre Namen vergessen oder zu Fu?oten in einem kaum noch zu bew?igenden Nachschlagewerk der Toten und Vermi?en geworden sind, treibt mich das entgegengesetzte Verlangen: sie aus ihrer Vergangenheit zu befreien, ihnen ihre Identit?zur?ckzugeben, das Verschmolzene auf seine Bestandteile zur?ckzuf?hren. Damals, als viele von ihnen noch lebten, glaubte ich, im Hinblick auf die Eigenwilligkeit des sch?pferischen Prozesses, mir von diesem den Kopf, von jenem eine Handbewegung oder eine bestimmte Redensart ausborgen zu d?rfen. Manche Figuren waren frei erfunden, manche dem Leben nachgezeichnet, wieder andere aus Teilen zusammengef?gt. Die Frau, die den Mann Kobbe durchs Exil begleitet, bestand aus mehreren Frauen, die dem Erz?er in seinem Leben begegnet waren, der Kommunist Krana war eine Zusammenziehung verschiedener Funktion?typen. Gewi?blieb